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Vertrauen generieren und festigen in Krisenzeiten

07.10.2020Gerhard Liska

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Erkennbarkeit der Führungskraft als Grundpfeiler für die Mitarbeiterorientierung

Die neue Schwerfälligkeit

Jetzt, wo nach den ersten Corona-Schockwellen die Betriebsamkeit langsam und unter den Vorzeichen neuerlicher Beschränkungen wieder startet, gestaltet sich die Rückkehr vom Home-Office in die angestammten Büroräumlichkeiten zögerlich und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte reagieren überraschend zurückhaltend und schwerfällig. Sie hinterfragen sich, ihre Potenziale und ihren Beitrag zum Sein, aber auch ihre Funktion, die Sinnhaftigkeit ihres Beitrags zum Unternehmen und zum Unternehmenserfolg. Sie fühlen sich müde und wollen nicht wieder in alte Routinen zurück.

Gleichzeitig sind neue Routinen sowohl im Präsenzraum als auch im virtuellen Raum noch nicht genügend etabliert. Mögliche Synergieeffekte dazwischen sind noch wenig erkundet. Gefordert ist ein authentischer Umgang mit dem Neuen. Das Festhalten an alten Fassaden kostet Authentizität, belastet unsere Ehrlichkeit und dehnt unsere Werthaltungen. Wir sind angehalten, den Spagat zwischen alten Formen und neuen Bedürfnissen professionell zu überbrücken. Nur so können wir dazu einladen, dass private wie berufliche Partner Vertrauen zu uns aufbauen oder uns weiterhin vertrauen können, weil eine neu erarbeitete Authentizität dies ermöglicht. 

Hypothese: In Umbruchszeiten entstehende neuartige Kommunikations- und Kooperationsbedürfnisse. Sie unterliegen anderen Gesetzmäßigkeiten im Kontaktverhalten als die Routinen gewohnter Beziehungs- und Vertrauensmuster.

Wenn Führungskräfte diese Entwicklungen umsichtig aufgreifen, sich von ihrer persönlichen, oft privateren Seite zeigen, können sie das bestehende Vertrauensverhältnis zu den einzelnen Teammitgliedern sowie ihrem Umfeld vertiefen. Sie müssen keine Antworten auf unbekannte Entwicklungen oder neue Problemstellungen bereithalten, doch aktiv zum Dialog über diese Fragestellungen einladen. Das verleiht der Begegnung auf unbekanntem Terrain eine Form und damit eine Legitimation. 

Ein Beispiel: Im virtuellen Setting werden Führungskräfte „privater“ wahrgenommen, wenn die Kamera einen Einblick in ihr Arbeitszimmer oder an ihren provisorischen Schreibtisch erlaubt, von dem aus sie an der virtuellen Welt teilnehmen. Der aufgeräumte oder persönlich-chaotische unaufgeräumte Bücherschrank wird sichtbar, ein Haustier läuft durch das Bild, Kinderstimmen mischen sich ein. 

Greifen wir die Möglichkeit zur Nahbarkeit entsprechend auf und bringen sie bewusst gestaltet beziehungsweise wertschätzend-interessiert ins Gespräch, schafft sie Transparenz und eine empathisch-authentische Atmosphäre. Diesen privaten Aspekten im virtuellen Meeting Raum zu geben, wirkt vertrauensstiftend, weil wir damit unserer menschlichen Ganzheit eine Erlaubnis geben, ohne sie zu leugnen oder sie anderen durch lange Erklärungen oder radikale Ausgrenzungen aufzudrängen. In diesem Sinne zeigt eine Krise und die gemeinsame Eroberung neuer Kommunikationsstrukturen, wo Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern stabil ist und wo sich noch Potenzial für eine Vertiefung bietet.

Der empathische Führungsmodus

Dabei zeigt sich eine besondere Herausforderung für Führungskräfte: In rauer und unberechenbarer See ist es notwendig, bewusster und empathischer in Führung zu gehen als zu Zeiten des kalkulierten Segelns mit dem Wind. Sich mit den eigenen Gefühlen offen zu zeigen und die Gefühle des Umfeldes aktiv aufzugreifen, ist dann wichtiger Teil des Führungsalltages. Störungen werden bewusst angesprochen und auf die Bühne der teaminternen Diskussion gebracht. Als fixer Agendapunkt in Teammeetings hat die bewusste Betrachtung von Nebenagenden und Störungen eine klärende und reinigende Wirkung, die den Blick wieder frei macht für wesentliche inhaltliche Themenstellungen. 

Der vermeintlichen Konsequenz oder Befürchtung, sich dadurch persönlich angreifbar zu machen, steht der reale Nutzen der Vertiefung des Vertrauensverhältnisses zu anderen Menschen gegenüber. Es wird sichtbar, welche Sorgen die einzelnen Teammitglieder bewegen und welche Aspekte davon persönlich sind oder das Team als solches betreffen. Die Führungskraft wird nahbar und als Mensch greifbar, wenn sie sich mit den eigenen Sorgen zeigt und zur Verfügung stellt. Darauf können dann gemeinsame Antworten im Team gefunden werden. Dies ist zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Resilienz des Teams in der Krise, denn es zeigt dem Team, welchen Stellenwert individuelle Aspekte im Gesamtfeld erfolgreicher Kooperation haben. 

Damit wird sichtbar, was ohnehin da ist und sonst im Verborgenen Anlass für Misstrauen, Hoffnungslosigkeit oder Frustration sein würde. Es geht darum, Individualität und hinter ihr stehende persönliche Befindlichkeiten nicht als Schwäche oder Irritation wahrzunehmen, sondern als möglichen Vertrauenseckpfeiler aktiv zu bearbeiten. Aus vermeintlichen Störungen resultierende Fragen aufzugreifen, ihnen Raum zu geben und damit Rechnung zu tragen, verweist auf das besondere Potenzial von Krisen für die Vertiefung von Vertrauensbeziehungen und den Aufbau von Vertrauen, wo noch kein oder kaum ein Vertrauensverhältnis besteht. Aber nicht nur der Führungsmodus ist wichtig, sondern auch das Rollenverständnis, aus dem heraus eine Führungskraft agiert.

Das empathische Rollenverständnis

Eine Führungskraft, die dazu tendiert, Störungen eher vermeiden denn aufgreifen zu wollen, handelt eher aus dem Rollenverständnis, dass sich Führungskräfte Störungen nicht anmerken lassen sollten. Hier wirken im Hintergrund Bilder der „starken Führungskraft“ oder die Vorstellung mit, dass Emotionen im Arbeitsumfeld keinen Platz hätten. Auch der persönliche Umgang mit Nähe und Distanz spielt eine Rolle. Emotionale Offenheit stellt oft rasch ein scheinbares Übermaß an Nähe her, das auf manche Menschen unangenehm, gar bedrohlich wirkt und Abwehrmechanismen und das Bedürfnis nach Distanz auslöst.

Ein empathisches Rollenverständnis geht hingegen davon aus, dass die Kraft auch negativer Emotionen grundsätzlich positiv genutzt werden kann und zwischenmenschliche Nähe sowie das gegenseitige Vertrauen vertieft. Das berührt natürlich das Selbstverständnis, das eine Führungskraft in Bezug auf die eigenen Emotionen hat, und zeigt, ob sie diese als unterstützend oder eher hinderlich erlebt. Ein positiv besetztes Bild der eigenen Emotionalität wirkt als Katalysator und ermuntert das Umfeld, Emotionen wahrzunehmen und offen damit umzugehen. Das passt zum gruppendynamischen Paradigma der Störungen, die Vorrang haben. Die Führungskraft wird als menschlich wahrgenommen, zeigt aber in ihrer Offenheit gleichzeitig emotionale Stärke, die wiederum Richtung und Klarheit bietet. Für unsichere und zweifelnde Teammitglieder fungiert diese Transparenz als Ankerpunkt, an dem sie sich in der eigenen Richtungslosigkeit orientieren können. Gleichzeitig ist das ein Schritt vom reagierenden Managen weg und hin zum nachhaltigen Führen in der Umbruchszeit.

Summary – Vertrauen sichern in Umbruchszeiten 

Vertrauen stiften und aufbauen

Vertrauen sichern und vertiefen