Vertrauenskultur als Beitrag zum Unternehmenserfolg
Wirksamkeit von Führung durch High Trust Culture
20.08.2012Petra Schulte
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Dieses White Paper zeigt auf, wie sich die aktive Arbeit an einer Vertrauenskultur wirksam gestalten lässt und auf den operativen und strategischen Geschäftserfolg auswirkt. Wir beleuchten Hintergründe, Kulturanalyse und Arbeitsansätze zur Herstellung von Vertrauen.
Die Themenrelevanz ergibt sich aus Gesprächen mit Unternehmensinhabern und Führungskräften: Dort fallen Schlagworte wie Employer Branding, Nachhaltigkeit und Wirksamkeit. Produkt- und Serviceentwicklungen zielen auf Neukundengewinnung und Kundenbindung ab. Nachhaltigkeit und Effektivität sollen wirtschaftlichen Erfolg sichern. Nach innen suchen Unternehmen nach dauerhafter Leistungssteigerung und Mitarbeitermotivation. Dafür wollen sie Potenzialträger gewinnen und binden, denn diese sind immer schwerer zu finden und zu halten.
Ob in der Marktgestaltung, in der Prozessoptimierung oder in der Verantwortung für Human Kapital, alles dreht sich um kurz-, mittel- und langfristigen Erfolg. Unsere Wirtschaftswelten werden immer komplexer. Die eingangs angebotenen Schlagworte skizzieren, welcher Wert im Hintergrund zunehmend diskutiert wird: Vertrauen. Neue Führungsgenerationen adressieren grundlegende Werthaltungen: Vertrauen, Authentizität und Wahrhaftigkeit, Identifikation, Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit. Diese Kontexte finden einen gemeinsamen Nenner im ‚Vertrauen‘.
Die Gesprächspartner vertreten zwei Hauptrichtungen: Die einen setzen sich mit Enthusiasmus und Nachdruck für den Aufbau und die Erhaltung von Vertrauen ein. Sie sehen diese sequenzielle Arbeit als ihre Leadership- und Unternehmerverantwortung. Die anderen beklagen ihre persönliche Ohnmacht und die schädlichen Auswirkungen auf ihre Organisation und deren Wirtschaftserfolg, wenn sie von Vertrauensverlust betroffen sind.
Was zeigt sich? Vertrauen ist kein stabiler Zustand und keine Selbstverständlichkeit. Vertrauen ist als Grundwert ein kraftvoller Wirtschaftsfaktor mit Hebelwirkung. Mit ihm steuern wir das eigene komplexe Unternehmen. Mit ihm gestalten wir unser persönliches, alltägliches Handeln als einen erkennbaren und messbaren Beitrag.
Vertrauen lässt sich aktiv herstellen und sichtbar machen. Kleine und große Maßnahmen wirken sich auf allen Ebenen aus: persönlich beim Einzelnen, zwischen einzelnen Menschen und Gruppen innerhalb der Organisation und zwischen Marktpartnern.
Wo es beginnt
Vordenker wie der am 17. Juli 2012 verstorbene Stephen R. Covey setzen sich seit vielen Jahren mit ihrer Forschung und ihren Veröffentlichungen für Wertemanagement ein. Sie diskutieren die Nachhaltigkeit von Managementansätzen und die Wirksamkeit von Haltungen. Ihr Anliegen ist dabei die Stringenz von kongruentem, nachvollziehbarem Verhalten. Vertrauen macht einen Unterschied im Management komplexer Unternehmen wie auch in Einzelbeziehungen.
Wenn Effektivität und Wirksamkeit im Zentrum sind, spricht Covey sehr bald auch von High Trust Culture, also von Vertrauenskultur.
Uns zeigt sich im langjährigen Dialog mit unseren Kunden: Die Existenz von Vertrauen und ihr Fehlen wirken sich auf die betroffenen Umfelder, Umwelten und Menschen umgehend aus. Der Wirtschaftserfolg einfacher, vor allem aber auch komplexer Systeme hängt von vielen Wechselwirkungen ab. Egal, wie differenziert interne Strukturen sein mögen, egal, wie simple Geschäftsmodelle von außen wirken, das Zusammenspiel aller Faktoren hat einen schwer messbaren aber unbedingt notwendigen Gleitstoff: Vertrauen.
Unternehmen werden in ihren Strukturen zunehmend komplexer. Viele Manager der oberen Hierarchieebenen können das vorliegende Geschäftsmodell ihrer Organisation nicht mehr in wenigen Sätzen beschreiben. Viele von ihnen definieren nur schwer eine eindeutige, nachweislich erfolgreiche Wachstumsstrategie. Umfassende Reporting-, Controlling- und Kommunikationsstrukturen vermitteln den Eindruck durchstrukturierter, transparenter Prozesse und konkret definierter Koordinaten. Im persönlichen Kontakt mit Managern wird aber seit einigen Jahren zunehmend lauter: Die Komplexität unserer Wirtschaftswelt und die hoch verstrickten Interdependenzen führen bei Top Managern zu persönlicher Lähmung und dem intensiven Erleben fehlender Einflussmöglichkeiten. Mitarbeiter großer Konzerne erleben Irritationen, die in Entwicklungsstagnation, Fluktuation und starker Resignation münden.
Kaum wird von Vertrauenskultur gesprochen, gewinnen Diskussionen an Tiefe und gleichzeitig Leichtigkeit. Bilder von Vereinfachung, abgeworfenem Ballast, Klarheit, Entschiedenheit entstehen. Manager entwickeln das Bedürfnis nach konkreten Maßnahmen und nehmen innerlich eine entschiedene Haltung ein. Die Allgegenwärtigkeit von Vertrauen als Befähigung und das Fehlen von Vertrauen als Beschränkung, Störung, Bedrohung ist ihnen umgehend klar. Sie zeichnen mit ungezählten Beispielen gestörter Arbeitsbeziehungen, enttäuschter Kunden und entgangener Gewinne eine farbenprächtige Landschaft. Sie erleben früher intaktes Vertrauen zum direkten Vorgesetzten als verödet, wenn interne Abhängigkeiten zu Vertrauensverlust im eigenen Team führen. Andere beschreiben sehr treffsicher die beobachtete Spaltung ihres Unternehmens, wenn sich ihre Vorstände nicht gegenseitig vertrauen. Die Symptome ähneln sich: Behinderung im Arbeitsalltag, Wachstumsbremsen im Markterfolg und Komplexitätsverstärker im Umgang miteinander.
Veröffentlichungen und Studien stellen ‚Vertrauen als Erfolgsfaktor in Unternehmen’ ins Zentrum. Die Mehrheit der Erhebungen zeigt auf: Vertrauen und Vertrauenskultur sind vor allem ‚Chefsache’.
Organisationen sind heute oftmals stringent aufgebaut. Ihre Prozesse sind modern zertifiziert. Ihr Fachpersonal ist im Markt begehrt und bestens ausgebildet. Ihre strategische Managemententwicklung ist konsequent durchdesigned. Ihre Projekte werden von Black Belts geführt, Ergebnisse messbar dokumentiert, Ziele klar kommuniziert.
Die Steuerung der Organisation, die Handschrift, die sich trotz organisationaler Komplexität unverfälscht zeigt und Zusammenhänge nachvollziehbar und attraktiv macht, ist die Handschrift der Unternehmensführung. Sie vermittelt Vertrauen, lebt Vertrauen vor und investiert Vertrauen. Der charismatischste Manager verliert an Wirkung, wenn er Vertrauen nicht glaubwürdig erzeugen oder als Selbstkompetenz signalisieren kann: In Haltung und Handlung.
Neben allen anderen Wirtschaftsindikatoren beeinflusst das in die Organisation und ihre Leitung gesetzte Vertrauen den Wert des Unternehmens: Nach innen wie nach außen, im Arbeitsalltag und an allen Börsen.
Erste Indikatoren für Vertrauen als Einflussfaktor im Geschäftsprozess
Wir können den Nutzen vorhandenen Vertrauens oder den Schaden durch fehlendes Vertrauen in harten und weichen Faktoren suchen. Hier betrachten wir die unterschiedlichen Stakeholdergruppen und ihre möglichen Reaktionen. Welche Problemlagen hier in den Blick genommen werden, veranschaulichen die folgenden Beispiele:
Die hier beschriebenen Symptome für erfolgreiche und für fehlende Vertrauenskultur weisen bereits auf Interventionsebenen für Lösungsmaßnahmen hin. Wir werden im Folgenden noch näher auf die Diagnose der vorhandenen Vertrauenskultur eingehen und auch aufzeigen, wo sich Lösungsansätze bieten.
Vertrauen – ein ethisches Konzept? Vertrauenskultur als Beitrag zum Unternehmenserfolg
Zielsetzung unserer Arbeit an der Vertrauenskultur, damit auch die Zielsetzung dieses White Papers ist es, High Trust Culture, also eine Kultur tiefen, holistischen Vertrauens als direkten, konkreten Beitrag zum wirtschaftlichen Ergebnis von Organisationen und zur Wirksamkeit menschlichen Handelns greifbar zu machen.
Die offensichtlichen Vor- und Nachteile lassen sich bereits aus Tabelle 1 ableiten, in der die Konsequenzen vorhandener und fehlender Vertrauenskultur gelistet sind.
Umsatz- und Gewinnwachstum:
Die ‚Dotcom-Ära‘, der Facebook-Börsengang und andere Beispiele zeigen, wirtschaftliche Nachhaltigkeit braucht ethische Grundlagen. Unternehmen investieren seit mehreren Dekaden in ihre weißen Westen. Großaufträge und langfristige Verträge zielen auf Margen und wirtschaftliche Gewinne, werden jedoch entschieden über die Verbindlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Verhandlungspartner, langfristige Zahlungs- und Lieferfähigkeit. Der aktuelle, wirtschaftliche Status Quo eines Unternehmens zählt weniger als das zugrundeliegende Geschäftsmodell und seine Nachhaltigkeit. B2B Unternehmen werben proaktiv mit Seriosität um Vertrauen, weil der Kunde nicht erst im B2C Kontakt ihrer gewahr wird.
Strategische Zielsetzungen
Employer Branding:
Die jungen Führungsgenerationen (Gen Y) fordern eine Werte-Renaissance. Echtheit, Wahrhaftigkeit, Wirksamkeit und der persönliche Beitrag kommen weit vorne vor äußeren Faktoren wie Entlohnung, Positionen und Karrierechancen.
Visionsentwicklung und unternehmensweite Visionsverfolgung:
Die Unternehmensführung fühlt sich gehört. Sie kommuniziert ihre Zukunftsvorstellungen verbindlich in die Organisation. Die Mitarbeiter erleben sich integriert und orientieren sich in ihrem Handeln an der gemeinsamen Ausrichtung.
Wirksamkeit von Führung:
Klarheit in der Delegation und Führung seitens der Führungskräfte bewirkt weitreichende Hebelwirkung. Sie bewirkt Identifikation und Commitment seitens der Mitarbeiter durch geteilte Werte und Werttiefe. Transparent gemachte gegenseitige Erwartungen reduzieren Konflikte. Stattdessen erwachsen Verantwortungsübernahme, Mut, Motivation und Lust auf Höchstleistung.
Expansion und Wachstum:
Internationalisierung wird beflügelt und durch Kerngruppen zum Erfolg geführt, die sich tief vertrauen und die High Trust Kultur der Organisation in die Welt tragen. Globalisierung wird durch eine High Trust Gesamtkultur ermöglicht. Wer weitreichend und in viele Geschäftseinheiten hinein führen will, muss weit vertrauen.
Operative Hebel
Prozessvereinfachung:
Prozesskopie, -übertragung und -verschlankung werden zu Kraftpotenzierern. Multiplikation wird vereinfacht, nachvollziehbar und beschleunigt. Sie wirkt sich umgehend positiv auf jede Kostenstruktur aus.
The Speed of Trust:
führt zu hohem Tempo und kurzen Wegen durch eingesparte Checks und Kontrollen, weil Kommunikation vereinfacht wird. Sie braucht keinen differenzierten Kontextabgleich über Bereichs-, Abteilungs-, Landesgrenzen hinaus. Sie ist vor dem gemeinsamen Unternehmenskontext ‚High Trust Culture’ eindeutig.
Vertrauen in der Praxis gelebt: Die Gestaltung einer High Trust Culture
Die Arbeit an Vertrauen ist weder auf der Individual- noch auf der Organisationsebene eine reine Technik, die Ablaufprozesse, Strukturen und Regeln betrifft. Vertrauenskultur als Prozessoptimierung zu verstehen, hieße sie zu instrumentalisieren und gleichzeitig zu banalisieren. High Trust Culture – Vertrauenskultur behandelt vielmehr Vertrauen und die aus ihm entspringenden Verhaltensformen wie auch seine Verletzungen als holistisches Gesamtmodell. Vertrauen ist ein Grundwert, der ohne viel Reflexion unser gesamtes Vorgehen und unsere Reaktionen beeinflusst.
Damit sind wir bei des Pudels Kern: Vertrauen im Alltag. Vertrauen in der Arbeitspraxis. Die Frage eines jeden Beratenen: Was heißt das in der Umsetzung? Wo setze ich an?
Vertrauen heißt vertrauen.
Mit diesen 3 Worten schließen sich Konzept und Lösungsansatz zu einer Gleichung. Wollen wir die Vertrauenskultur in unserem direkten Umfeld positiv beeinflussen, müssen wir aktiv vertrauen. Dafür ist unsere Vorleistung verlangt, indem wir Vertrauen bieten, stiften, es selbst proaktiv leisten, es gewähren und auch gegen kritische Erwartungen und Erfahrungen immer wieder herstellen.
Ebenen, die sich dafür geradezu anbieten, sind leicht benannt:
Kommunikation:
strategisch wie operativ, im 1:1 Kontakt und in der Führung
Verhalten:
beginnend mit uns selbst in der Selbstführung und in jeder Entscheidungsfrage und Interaktion mit anderen; Moments of Truth schaffen Glaubwürdigkeit, machen in unserem Handeln unsere Haltung sichtbar
Prozessdefinitionen:
Regelkreise, Checkpoints, Orientierung, Transparenz, Koordinaten, Entscheidungsspielräume und Grauzonen
Strukturen:
Zuständig- und Verantwortlichkeiten, Abgrenzungen, Terrains, Benennungen
Eine gründliche Diagnose erschließt den Lösungsweg
Als Unternehmen für Personal- und Organisationsentwicklung suchen wir in der Beratung unserer Kunden nach Veranschaulichungs- und Darstellungsformen unserer Erkenntnisse. Vertrauen – vorhanden oder fehlend – findet auf allen Ebenen der Reflexion und Interaktion statt. Beim Einzelnen beginnt es bereits als Selbstvertrauen, dem Vertrauen des Individuums in die eigene Leistungsfähigkeit und Lösungskompetenz. Wir betrachten alle Bereiche der Interaktion zwischen Menschen. Schließlich erfassen wir das Zusammenspiel zwischen Mensch und Organisation sowie zwischen Organisationen untereinander.
Diese Identifikationsebenen für Vertrauen ziehen sich von innen nach außen: vom Individuum in sich selbst, bis nach außen in die Geschäftsbeziehungen zwischen Organisationen. Für jede Vertrauensebene bieten sich diagnostische Instrumente, die uns zeigen, welche Vertrauensqualität gegeben ist. Aus der Analyse ergeben sich Lösungsempfehlungen, sollte gezielte Vertrauensarbeit notwendig sein.
Das von USP-D entwickelte Vertrauenskultur-Modell zeigt die unterschiedlichen Handlungsebenen und die in ihnen angesiedelten Diagnose- und Lösungsansätze sehr plastisch auf.
Diagnoseinstrumente für die Analyse der vorhandenen Vertrauensqualität und Vertrauenskultur sind:
- 360 Grad Feedback:
Das 360 Grad Feedback gibt Anhaltspunkte, wie das Vertrauen des Feedbacknehmers zu seinen Umfeldgruppen (Vorgesetzter, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Kollegen) gestaltet ist und wie diese sich wiederum auf die Person des Feedbacknehmers beziehen. Im Aggregatszustand von Gruppenauswertungen nach Abteilungen, Business Units oder Standorten lassen sich zudem Hypothesen über diese Clustergruppen bilden. - Mitarbeiterbefragungen:
Maßgeschneiderte Mitarbeiterbefragen zielen auf Prozesse, Strukturen, Beziehungen, Haltungen und Handlungen ab. Sie spiegeln sehr deutlich die interne Vertrauenskultur und zeigen Handlungsebenen auf, aus denen sich gut Interventionsmaßnahmen entwickeln lassen. - Kundenbefragungen:
Wie Mitarbeiterbefragungen stellen Kundenbefragungen zur Vertrauenskultur vertrauensrelevante Prozesse, Strukturen, Beziehungen, Haltungen und Handlungen ins Zentrum. Auch dient die Ergebnisauswertung als Verortung für Lösungsmaßnahmen.
Voraussetzungen für die Aussagequalität von Erhebungen: Wichtig bei allen drei Erhebungsinstrumenten ist die Passgenauigkeit der Befragung zum Thema. Standardisierte Kunden- und Mitarbeiterbefragungen behandeln mitunter den Aspekt Vertrauen, betrachten ihn aber meist nur als Nebenergebnis und wenig spezifiziert. Zudem fokussieren sie auf einfache Ergebnisrückführungen und organisationsübergreifende Benchmarks, wenn z.B. Arbeitgeber ihre Attraktivität unter vergleichbaren Marktteilnehmern messen lassen wollen oder an organisationsvergleichenden Bewerben teilnehmen. Die mit der Kunden- oder Mitarbeiterbefragung gewonnenen Informationen werden meist in standardisierten Follow-up Prozessen ausgewertet und intern verarbeitet. Sie sind nicht zwangsläufig durch externe Expertise in der Aufarbeitung begleitet, weil der Befragungsimpuls bereits beantwortet wurde.
Anders verhält es sich bei Befragungen, die maßgeschneidert für die Organisation auf ihre Leistungsmerkmale oder Kompetenzbeschreibungen entwickelt werden und die Vertrauenskultur ins Zentrum stellen. Sie sollen Datenmaterial für treffsichere Hypothesen und konkrete Ansatzpunkte für Lösungen bieten. Allein der Prozess des Erhebungsdesigns macht allen Verantwortlichen deutlich, dass die Ergebnisauswertung Designbestandteil sein muss und bestmöglich auch professionell in der weiteren Aufarbeitung unterstützt gehört. Die Ergebnisinterpretation und deren Rückführung in die Organisation wirken erfrischend und ermutigen zur Versprachlichung lang gehegter Vermutungen.
Bleibt also zusammengefasst wichtig: Befragungen (vom 360 Grad Feedback bis zur Kundenbefragung) können bei gezielter Konzeption und guter Nachbereitung sowohl Lieferant der treffsicheren Diagnose als auch Ratgeber für Handlungsoptionen sowie Ansatzpunkt für kurierende Intervention und den ersten Lösungsschritt sein.
Den harten Kern allen Vertrauens – das Selbstvertrauen – lassen wir noch außen vor: als allererste Ebene bezieht es sich intra-personal auf das ureigene Vertrauen einer Person in die eigene Persönlichkeit, ihre Leistungsfähigkeit und Lösungskompetenz.
Auch die bereits zitierte Selbstkompetenz vieler Top Manager und Unternehmensführer, den impliziten Auftrag ihrer Umwelten mit Selbstverpflichtung zum Wert Vertrauen einzusetzen, wird hier nicht über einfache Diagnostikinstrumente abgeprüft.
Auf der Individualebene bieten sich durchaus Testverfahren, die dem interessierten Probanden Aufschluss über die eigene Vertrauensfähigkeit geben. Doch welche Führungskraft, die sich nicht explizit in einem proaktiven Reflexionsprozess wie Coaching, Supervision oder Mentoring befindet, kommt ohne Krise oder Misserfolg eigenständig auf den Gedanken, ihre Vertrauensfähigkeit (= Vertrauen in sich und andere) zu hinterfragen?
Viele Interviews mit CEOs und Unternehmensinhabern zeigen uns, dieser dem Menschen eigene ‚blinde Fleck’ existiert in jeder Hierarchie-ebene. Die wenigsten Top Manager werden jedoch direkt darauf angesprochen. Tausende von Mitarbeitern schauen ihnen skeptisch, beunruhigt oder wertschätzend in ihrem Wirken zu. Welcher Mitarbeiter oder Berater will einem CEO sagen, die von ihm als verbesserungswürdig wahrgenommene Vertrauenskultur seiner Organisation gehe in ihrer Mangelhaftigkeit auch von ihm und seinem eigenen Verhalten aus?
Die Landschaft der Lösungsangebote mit Alltagstauglichkeit
Wie eingangs bereits aufgezeigt, beginnt Vertrauen in seiner Existenz und in seiner Gestaltung beim Einzelnen. Vertrauen ist eine Aktivleistung. Vertrauen heißt vertrauen. Verb und Substantiv. Trust means ‚to trust’.
Diagnoseinstrumente
- KUB – Kundenbefragung
- MAB – Mitarbeiterbefragung
- MAG – Mitarbeitergespräch
- 360 FB – 360 Grad Feedback
Lösungsinstrumente
- CSR – Corporate Social Responsibility
- CRM – Customer Relations Management
- PR – Public Relations
Im vorliegenden USP-D Diagnose- und Lösungsmodell finden wir auf jeder Interventionsebene Lösungen. Von intra-personal bis inter-organisational – ob direkt und schnell beim Einzelnen angesetzt oder systemisch relevant für die Gesamtorganisation und ihre Umwelten.
Intra-personal:
Selbstführung und Coaching unterstützen unsere Wertreflexion. Sie klären persönliche Antriebe, Leistungsvermögen und Leistungswillen. Lust auf Leistung und Mut zu persönlichem Wachstum steigern das Vertrauen in sich selbst und in die Partner.
Inter-personal:
Jede Form von Kooperation ist beeinflusst durch unsere Werthaltungen und unsere Glaubenssätze. Fast möchte ich Coaching und Selbstführung als Phase 1 in einem Stufenplan empfehlen, gäbe es nicht das Gruppen-Coaching (GC). Oft ist das gemeinsame Erarbeiten und Reflektieren in einer Gruppe von Peers kraftvoller und wirksamer. Ein mehrmonatiges Einzelcoaching erzielt bereits gute Ergebnisse. Eine Coaching-Gruppe hingegen arbeitet in loser Zeitstruktur ca. 12 – 18 Monate intensiv an ihren Kernthemen aus Führung, Selbstführung, Visionsgestaltung und -verwirklichung. Der von der Gruppe getragene Coachingprozess schafft einzigartige Tiefe und Verbindlichkeit. Daraus erwächst für die Gruppe ein Netzwerk mit Langlebigkeit – oft weit über die Verweildauer in der Organisation hinaus. Die Mitglieder von Coaching-Gruppen treffen sich nach ihrem offiziellen Programm-Ende noch über Dekaden und reflektieren die Entwicklung ihrer Unternehmen und ihr persönliches Wachstum.
Das Gesamtunternehmen sieht und erlebt die direkten Auswirkungen von gelebtem Vertrauen. Die Magie des Gruppen-Coaching kommuniziert sich umgehend in alle Bereiche – privat wie beruflich. Haltung und Handeln der Teilnehmer schaffen die neue Wirksamkeit von Führung.
Intra-organisational:
Es können die großen Change-Projekte sein, die wir seit den 80er Jahren immer wieder erleben. Bringen Berater diesen Ansatz ein, treffen sie oft auf eine bereits Change-erfahrene Organisation. Je nach Leidensdruck und Vorerfahrung sucht die Organisation genau hier Unterstützung. Oder sie verweigert sehr gezielt an diesem Punkt den Kontakt und die ‚Wahrheitsfindung’. Viele Veränderungsprojekte werden groß konzipiert und differenziert aufgesetzt, um unterwegs nach halbem Kraftaufwand zu versanden. Eine High Trust Kulturveränderung erfolgreich zu starten, erfordert mutiges Hinschauen und ehrliches Erkennen statt großartiger Masterpläne und brillante Konzepte. High Trust Culture als Change zielt auch auf unternehmensinternes, unverblümtes Versprachlichen, konsequentes Einbinden und Teilen ab. Natürlich am besten mit professioneller Begleitung und orchestriert unter kompetenter Anleitung.
Mutige Vorstände und HR Manager greifen zur konsequenten Aufarbeitung von Befragungsergebnissen und leiten strategischen und operativen Handlungsbedarf ab. Die offene Auseinandersetzung führt rasch zu einem Stufenplan, der klar priorisiert, welche Schritte zuerst gesetzt gehören. Die strategische Personalentwicklung ist dabei häufig eine erste Arbeitsadresse.
Inter-organisational:
Hakt es intern, spüren das auch die Unternehmensumwelten wie Kunden, Lieferanten, Bewerber, Zuschauer. Sind die Beziehungen zu externen Partnern gestört, wirken sich diese Irritationen ebenso nach innen aus. Vordergründig können zeitnah durch CSR Projekte und PR korrigierende Maßnahmen hilfreich erscheinen. Doch sie entbehren jeder Wirksamkeit, sind sie isoliert aufgesetzt. Jede nach außen gerichtete Intervention braucht zwingend interne Begleitmaßnahmen. Sonst wirkt sie wie ein einfacher weißer Anstrich auf einer feuchten Wand: Der Schimmel kommt umso farbenprächtiger und schneller wieder durch. Auch hier heißt es: Maßnahmen in Maßen definiert und schließlich konsequent und konzertiert durchgezogen.
Auf welcher Ebene der erste Schritt sinnvoll und notwendig erscheint, finden Organisationen schnell heraus. Gute Berater helfen, hier maßvoll und angemessen vorzugehen.
High Trust Culture ist wenig appetitlich für Sprinter. Die Arbeit am Vertrauen und an einer wirksamen Vertrauenskultur ist vergleichbar mit einem Marathon: Das Training sollte früh beginnen und umfassend sein. Es erfordert Disziplin, Ausdauer, klare Widmung. Das Ergebnis zeigt nachhaltige Fitness.
High Trust Leadership
Vertrauensführung in einer High Trust Culture heißt Wirksamkeit von Führung: Wir geben ab, aber nicht wirr oder undifferenziert. Wir bieten klare Orientierung, strukturiert, mit Checkpoints und Messkriterien. Wir vertrauen auf unsere Selbstkompetenz in der Führung und bilden in uns das Vertrauen in unsere Mitarbeiter heran. Wir vertrauen ihnen etwas von uns an.
Der blinde Führer, der gemäß seiner Führungskompetenz die Augen seiner Mitarbeiter nutzt, um sie aus der Katastrophe zu führen – jedes Heldenepos hat Beispiele für Vertrauenskultur. Alte wie neue Heldengeschichten zeigen, wie sich starke Führungspersönlichkeiten in Krisenzeiten der Kompetenzen ihrer Mitarbeiter bedienen. Sie teilen ihre Visionen, geben Kontext für Identifikation und vertrauen sich ihnen an. Ohne romantische Verbrämung findet genau hier der kulturelle Schulterschluss, die Katalyse, die Verschmelzung statt: Wenn sich ‚vertraut’ wird und alle Personen einer Organisation in eine Richtung schauen und auf diese Richtung vertrauen, erwächst diese Organisation zu einem großen Organismus, der wie von selbst in die richtige Richtung geht. Vertrauen ist eine Form von Teilen, sich mitteilen, sich zeigen.
Was heißt das im Alltag? Ich gebe Orientierung, teile mein Wissen und Verständnis über die Richtung. Ich teile Verantwortung, Freiraum, Entscheidungskraft. Ich teile ein gemeinsames Verständnis über die Versprachlichung einer gemeinsamen Richtung.
Hier setzt High Trust Culture an. The Speed of Trust adressiert genau diesen Hebel: Wir teilen eine gemeinsame Definition von Vertrauen und Verbindlichkeit und müssen daher nicht mehr über die Details der Umsetzung diskutieren. Selbst wenn ein Umsetzungsgedanke kurz fremd oder anders als geplant aussieht, vertrauen wir darauf, dass die Richtung stimmt. Allein damit erzeugen wir Hebel und Drehmoment, denn der Gegencheck ist nur eingangs zur strategischen Übersetzung wichtig, aber nicht mehr in jedem operativen Satz.
High Trust Culture – Als Aufgabe des Top Management
Die Gestaltung einer High Trust Culture oder überhaupt die Erzeugung oder Wiederherstellung von Vertrauen ist sicher weit schwieriger, als die täglichen Verletzungen von Vertrauen auf allen inter-personalen Ebenen bis hin zu inter-organisationalen Vertrauensbrüchen.
Jedoch zu glauben, die Arbeit an der unternehmensinternen oder der persönlichen Vertrauenskultur bedeute große Re-Organisationen, Umstrukturierungen oder intensive Marketingarbeit, entschuldigt damit vielleicht nur zu schnell den verzögerten Start des ersten Schritts und rechtfertigt die zu frühe Ohnmacht nach verzagten Anfängen.
Vertrauensarbeit beginnt immer beim Einzelnen und in der Organisation auf allen Ebenen. Natürlich am effektivsten Top-Down, damit gleich zu Beginn die Aufmerksamkeit gebündelt wird. Dennoch: Jeder in der
Organisation hat Zugriff auf sein ganz persönliches Vertrauen und auf seinen individuellen Beitrag zu einer Vertrauenskultur.
Wir nehmen uns das Phänomen ‚High Trust Culture’ auch strukturiert von oben nach unten bzw. von innen nach außen vor. Es darf nicht in der vermeintlichen Banalität des eigenen Beitrags ersticken.
Die Mitglieder der Unternehmensführung sind die plakativsten und wirkungsvollsten Multiplikatoren einer Vertrauenskultur. Viele dieser Zielpersonen wissen genau, sie haben neben der wirtschaftlich erfolgreichen Steuerung des Unternehmens eine darüber hinausreichende Verantwortung: ihr meist impliziter Auftrag ist die nachhaltige Wertsicherung und die Zukunftsgestaltung der Organisation. Immer häufiger formulieren diese Unternehmensführer diese Verantwortung klar und deutlich als ihr persönliches Anliegen. Sie haben erkannt, ihr Führungsansatz wird durch eine funktionierende, positiv besetzte Vertrauenskultur wirksamer.
Vertrauen zu zeigen, zu leben und zu erzeugen, verlangt unbedingten Mut. Der kleine erste Schritt der nicht getan wird, kostet von außen betrachtet Zeit und Optionen. Dahinter liegt allerdings der viel schmerzvollere Verlust der persönlichen Integrität und Glaubwürdigkeit.
Diagnosemodelle, die sehr klar zielgerichtet eingesetzt werden, bieten klare Ansatzpunkte für direktes Handeln.
Diese Ansatzpunkte sind der Schlüssel für einen pragmatischen, realitätsnahen Transfer: Ergebnisse, Erkenntnisse und Befindlichkeiten aufzuzeigen. Dafür braucht es Mut. Dieser Mut wird umgehend, sofort belohnt mit Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit, Vertrauen. Top-down oder bottom-up: Von der Vorbildwirkung her ein großer Unterschied. Von der Breitenwirkung und Kulturentwicklung her jedoch gleichwertig.
Schließlich ist nur ein einziger Ansatz wirkungsvoll: Der erste, ernstgemeinte Schritt. Bei sich oder in der Organisation. Er muss nicht laut sein. Er sollte zu einem zweiten einladen.
Weiterführende Literatur:
- Covey, S. & Merrill, R.R. (2008). The Speed of Trust: The One Thing That Changes Everything. New York: Free Press.
- Liska, G. (2012). CSR und High Trust Culture. USP-D White Paper, 2. Aufl.
- Mayer, R.C., Davis, J.H., & Schoorman, D. F. (1995). An integrative model of organizational trust. Academy of Management Review, 20, pp. 709–734.
- Neubauer, W. (1999). Zur Entwicklung interpersonalen, interorganisationalen und interkulturellen Vertrauens durch Führung – empirische Ergebnisse der sozialpsychologischen Vertrauensforschung. in: Sydow, J. & Schreyögg, G.: Managementforschung 9: Führung – neu gesehen. Berlin: de Gruyter.
- Schoorman, D.F., Mayer, R.C. & Davis, J.H. (2007). An Integrative Model of Organizational Trust: Past, Present and Future. Academy of Management Review, Vol. 32, No. 2, pp. 344–35.
- Simpson, J.A. (2007). Psychological Foundations of Trust, Current Directions. Psychological Science, Vol. 16, No. 5, pp. 264-268.
- Six, F. & Sorge, A. (2008). Creating a high-trust organization: An exploration into organizational policies that stimulate interpersonal trust building. Journal of Management Studies, Vol. 45, No. 5,pp. 857-884.
- Whitener, E. M., Brodt, S.E., Korsgaard, M.A. & Werner, J.M. (1998). Managers as initiators of trust: An exchange relationship framework for understanding managerial trustworthy behavior. Academy of Management Review, Vol. 23, No. 3, pp. 513-530.