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Mentoring

Schlanke Multifunktionalität, die Ihr Unternehmen attraktiver macht: Wenn die Augen eines Mentee oder eines Mentoren strahlen, weil beide gewinnen, liegen Sie genau richtig!

26.01.2015Petra Schulte

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Mentoring? Ist das nicht ein ganz altes, etwas verstaubtes Konzept, für das sich nur traditionsbewusste Führungskräfte interessieren? Wie passt das in die heutige, schnelllebige Zeit? Wer hat an dieser Form der Begleitung überhaupt noch Interesse?

Kurz gesagt: Dieses Konzept ist aktueller und gefragter denn je. Mentoring ist in dieser Zeit genau richtig, denn junge Manager wollen und brauchen persönliche Begleitung, die sich ihnen widmet, die ihnen Türen öffnet, ihnen Hintergrundwissen vermittelt und ihnen Wege verkürzt. Genauso brauchen erfahrene Manager den Austausch mit den nachfolgenden Generationen, um ihre Kompetenzen in der Organisation zu verankern und um selbst weiter zu wachsen. Mentoring öffnet und bindet, indem es Barrieren abarbeitet und Menschen zueinander führt. Das tiefere Verständnis für die Organisation, ihre Werte, ihre Identität und ihre Strategie wird hinterfragt, aufgefrischt und wächst.

Mentoring taucht seit 2-3 Jahren verstärkt in der Führungslandschaft auf. Im Gegensatz zum ursprünglichen Mentoring als informelle Begleitung beobachten und entwickeln wir neue Formate. Variable Intensitäten und Herangehensweisen in der Durchführung wie auch Kombinationen der Mentoringpaare und –partnerschaften entstehen im Dialog mit unseren Kunden.
Höchste Zeit, Mentoring neu zu beleuchten und auf folgende Fragen hin zu untersuchen: Welchen Nutzen haben Mentee und Mentor?
Für wen eignet sich das Konzept?
Wann profitiert die Organisation davon?
Welche Aufwände müssen für gutes Mentoring betrieben werden?
Welche Voraussetzungen sollten bei den Mentoren und in der Organisation bestehen? Welche Formen bilden sich gerade heraus und machen dieses alte Betreuungs- und Begleitungskonzept heute für welche Zielgruppe attraktiv?

Dieser Artikel soll eine beobachtbare und wegweisende Veränderung aufzeigen, damit Entscheidungsträger das für ihre Organisation passende Mentoring-Format identifizieren und weiterentwickeln können. Die Beschreibung der technischen Umsetzung sowie die Skizze einer Mentoring-Ausbildung finden an anderer Stelle später ihren Platz. Vielmehr will ich eine in Konzernen längst erkannte neue Nutzung dieses Instruments näher beleuchten und einen Weg aufzeigen, wie Mentoring in Konzernen und selbst in kleinen Unternehmen zu einer rasch greifenden neuen Philosophie werden kann.

Erfahrungen mit Mentoring zwischen 1993-2012

Wenn wir als Coaches in Förderkonferenzen und Development Round Tables (DRT) Mentoring als „inhouse“ aber „off-the-job“ Maßnahme für junge Manager empfohlen haben, waren die Antworten gern:
„Ja, haben wir. Wird aber bei uns nicht gelebt.“
„Ja, das gab es bei uns mal, aber ist irgendwie verloren gegangen.“
„Nein, wollten wir schon lange mal einführen, aber unsere Manager haben dafür keine Zeit. Die sind eh schon so im Stress.“
„Ja, interessiert uns. Doch unsere Firma ist zu klein dafür. Wer sollen die Mentoren sein?“
„Nein, funktioniert bei uns nicht. Unsere Manager sind nicht gut genug dafür. Die können wir nicht auf die Leute loslassen.“

Die angebotenen Einwände gingen einher mit dem Bekenntnis, die Methode des Mentoring an sich zu schätzen, vielleicht sogar selbst aus Erfahrung zu kennen und gern jungen Führungskräften bieten zu wollen. Alle Kenner des Formats bekannten, wie leicht Mentoring zu organisieren und zu aktivieren ist. Doch offenbar war das Verhältnis zwischen dem vermuteten Aufwand und dem zu erwartenden Nutzen nicht attraktiv genug.

Vertraute Anwendungsfelder der Vergangenheit und Gegenwart

Mentoring beschreibt, wie einem jungen Mitarbeiter, einer Nachwuchsführungskraft, einem Menschen mit Potenzial und Talent eine erfahrenere, reifere Führungskraft uneigennützig und vor allem ohne direkten Führungsbezug mit Rat und Tat und Geduld zur Seite zu steht. Meist sind diese Mentoren hierarchisch deutlich weiter entwickelt als ihre Mentees.

Ob Mentoring nun als definiertes Entwicklungsformat seitens der Unternehmensleitung oder HR Leitung etabliert ist oder als informelle Entwicklungsbeziehung zwischen einem erfahrenen Manager und einer von diesem geförderten Nachwuchskraft gelebt wird, macht sicher einen großen Unterschied in der Ausgestaltung. Schon die Geschichte zeigt viele Beispiele für Mentorship in der Kultur, Wirtschaft und Politik:

Meine ganz persönliche Erfahrung dazu: Mentoring war zu Beginn meiner Karriere in dem damaligen Unternehmen kein offizielles Förderformat. Dennoch war bekannt, dass einige Potenziale Mentoren in strategisch wichtigen Positionen hatten. Mein eigener selbst ernannter Mentor war der Konzernjurist. Aus seinem strategischen Führungsverständnis heraus ermöglichte er mir den Zugang zu bereichsübergreifenden Projekten und herausfordernden Fragestellungen.

Anwendungsfelder formal eingeführter Mentoring-Konzepte als HR Instrument

Die Anwendungsfelder hängen stark von den Unternehmensverhältnissen ab. Internationale Konzerne kennen Mentoring über Grenzen und Business Units hinweg:

Beispiel 1 - Junger KAM im globalen Konsumgüterproduktionsunternehmen:
Ein junger Key Account Manager zeigt großes Potenzial und hohes soziales Geschick. Gleichzeitig sind seine aktuellen Aufgaben herausfordernd. Um ihn in der Funktion nicht zu verbrennen und ihn strategisch weiterzuentwickeln, findet sich ein Mentor aus einer anderen Business Unit oder höheren Hierarchieebene. Dieser arbeitet für 6-12 Monate mit dem KAM gezielt an seiner strategischen Ausrichtung.
In dem hier vorgestellten Fall ist Mentoring im Unternehmen seit längerem etabliert. Die Mentoren haben teilweise selbst an internen Mentoring-Programmen teilgenommen, um sich für die Mentoren-Rolle vorzubereiten.

Beispiel 2 - Kleine Potenzialgruppe in einem Mittelbetrieb mit flacher Hierarchie:
Nach der Durchführung von Förderworkshops werden die als Potenziale identifizierten Teilnehmer mittels internem Mentoring weiter begleitet. Die Überschaubarkeit der Organisation erfordert ein tragfähiges Regelwerk im bereichsübergreifenden Informationsfluss zwischen dem Mentor und dem Mentee. Die Mentoren durchlaufen ein Mentoring-Programm mit Coaching- und Mentoring-Techniken.
In vielen Unternehmen ist Mentoring ein diffus besetzter Begriff, weshalb es in den letzten 15-20 Jahren relativ wenig genutzt wurde. Doch die Fallbeispiele und die Fragen unserer Ansprechpartner zeigen auf, dass es nun immer stärker und lauter gefordert wird.

Wieso Mentoring verstärkt in 2013-2015?

Heute sagt mir meine Beobachtung: Die vielleicht als ungünstig eingeschätzte Input-Output-Ratio war lange genug ein wirklicher Hinderungsgrund. Vordergründig fehlte es wohl an der richtigen Argumentation. Darüber hinaus fehlte es allerdings auch an den Stakeholdern mit dem „richtigen“ Bedarf. Die alten Einwände hielten sich viel zu hartnäckig, als dass sie rein argumentativ erledigt worden wären.

Erst die neuen Generationen Manager und im Hintergrund dazu auch ihr Umgang mit den modernen Medien und Verbindungs- und Vernetzungsmodalitäten lassen Mentoring laut und notwendig werden. Und das anders als in den 90ern oder zur Jahrtausendwende.

Anwendungsfelder die sich neu bieten

Tatsächlich gültig früher wie heute ist, dass Mentoring keinen vordergründigen Wirtschaftszweck für den Mentor oder den Mentee oder für die von ihnen vertretene Organisation erfüllen soll. In der Arbeitsbeziehung geht es weiterhin um eine vertrauensvolle 1:1 Beziehung zwischen einem erfahrenen Manager (dem Mentor) und einer Nachwuchskraft (dem Mentee).

Neue Anwendungsfelder zeigen sich als probat für Unternehmen mit flacher Hierarchie, klein- und mittelständischer Größe und starker regionaler Fokussierung. Immer häufiger treffen wir auf „Cross-Mentoring“, „Reverse-Coaching“ und „Reverse-Mentoring“ und „Absolventen-Mentoring“, wobei letzteres Kooperationen zwischen Wirtschaftsorganisationen und Universitäten für Masterstudenten beschreibt und nicht das inter-universitäre Mentoring von Studienanfängern adressiert (eher bekannt als Tutoring). Diese neuen Begriffskombinationen und –schöpfungen zeigen deutlich neue Entwicklungen auf und dokumentieren damit einen längst bestehenden und immer deutlicher werdenden Bedarf, auf den ich weiter unten eingehen werde.

Dazu wieder einige Beispiele:

  1. Vernetzungsformat im Konflikt zwischen Unternehmensglobalisierung und persönlicher Individualisierung der Mitarbeiter
    Die teils sehr rasch voranschreitende Globalisierung internationaler Industrieunternehmen verlangt griffige und nachhaltige Vernetzungsformate, die hierarchieübergreifend sind. Diese Vernetzungsangebote dienen der Vertrauensbildung, dem Wissenstransfer und vor allem der nachhaltigen Kulturgestaltung.
    Junge Berufstätige und Führungskräfte werden in den letzten Jahren als weniger mobil und auslandsfreudig beobachtet. Die Development Centers und Förderprogramme in globalen Konzernen und regionalen Mittelbetrieben der letzten 3-5 Jahre zeigen deutlich, dass junge Berufstätige zunehmend ungern und nur unter günstigsten Rahmenbedingungen in andere Standorte wechseln. Ihnen das Vertrauen in die Verlässlichkeit ihrer Organisation zu vermitteln, ist doppelt schwer: Die oft überraschenden und wenig transparenten Veränderungen in den Unternehmen und die immer deutlicher werdenden Werthaltungen der jungen Mitarbeiter in Richtung Individualisierung und Lebensstilintegration stehen in Kontrast oder Konflikt zueinander. Die persönliche Auseinandersetzung mit einem Mentor über Hierarchien, Generationen und Bereichsgrenzen hinweg stiftet Vertrauen, erweitert den Fokus beider involvierter Gruppen und schafft Verständnis für organisationale Notwendigkeiten und persönliche Anliegen.
  2. Führung definiert sich neu
    Veränderte Werthaltungen in den Unternehmen verlangen nach persönlicherer Führung. Einerseits steigen der Druck und vor allem auch der Anspruch an jeden Mitarbeiter, andererseits grenzen sich Mitarbeiter immer stärker gegen Überforderung und aus ihrer Sicht überzogene Managementansprüche zum Schutz ihrer Work-Life-Balance ab. Auch die Wahl ihrer Berufseinsätze erfolgt längst stark im Wechselspiel zwischen der Wahrung ihrer Privatinteressen, ihrem Anspruch an persönliche Freiheitsgrade in der Entscheidungsfindung und dem Entscheidungsdilemma, gleich zu Beginn die einzig „Richtige Entscheidung“ treffen zu müssen. Gute Unternehmensinformationen, Einstiegsberatung und Employer Branding sind dabei sehr wichtig. Doch die eigentliche weitere Betreuung nach dem Einstieg wird sehr klug immer weniger reinen Onboarding-Programmen und inhouse Veranstaltungen überlassen. Vielmehr erkennen erfahrene Manager, dass sie hier jetzt als Person in der Pflicht sind und sich als Mentoren anbieten. Diese Aufgabenstellung erledigt sich nicht implizit durch wenige Freiwillige sondern wird zunehmend als Personalentwicklungs- und Führungsaufgabe verstanden und durch interne Mentoringprogramme vorbereitet und begleitet.
  3. (Cross-) Mentoring auf Top Management Level
    Die Zielgruppe, die am schwierigsten zu begleiten ist, weil ihre Fragestellungen besonders anspruchsvoll und oft auch im Benchmark heikel sind, findet im eigenen Unternehmen kaum mehr genügend Ansprechpartner für eine persönliche Betreuung. Das liegt bereits an der sich nach oben verjüngenden Hierarchiepyramide. Um diesen weit entwickelten Managern dennoch einen vertrauensvollen und sinnstiftenden Austausch zu erlauben, finden sich seit einigen Jahren erste Initiativen von unternehmensübergreifenden Mentoringbeziehungen. Diese sind regional so gewählt, dass sie sich leicht organisieren und begleiten lassen. Gleichzeitig bieten sie einen Vertraulichkeitsschutz durch eine gute Einbettung des Formats zwischen den teilnehmenden Unternehmen und durch ein gemeinsam erarbeitetes, immer wieder hinterfragtes Regelwerk.

Alle drei Mentoring-Varianten bedürfen wie das klassische Mentoring innerhalb einer einzigen Organisation der guten Einbettung und Vorbereitung und Begleitung.

Systemisch betrachtet sollte Mentoring nie Führung ersetzen. Hier zeigt sich durch den generationenbedingten Wandel im Führungsverhältnis ein neues Anwendungs- und Wirkungsfeld des Mentoring: Die jungen Manager wollen anders geführt werden. Sie sind sehr viel leichter über Mentoring zu erreichen, als über ihre direkte Führungskraft. Sie wollen als Personen wahr und ernst genommen werden und wünschen sich den ungenierten, freizügigen Austausch auf Augenhöhe. Offensichtlich entspricht dieser Zugang eher ihrem Verständnis von Wertschätzung als die hierarchiebezogene Führungskonstellation.

Ist Mentoring also wirklich ein verstaubtes Konzept?

Und: Bedeutet Mentoring nicht prinzipiell Extra-Aufwand für jemand anderen, von dem ich als Mentor keinen Return-on-Invest erwarten darf?

Frühere Mentoren sahen ihren Beitrag darin, mit dieser Funktion junge Nachwuchskräfte zu unterstützen und gleichzeitig ihre Organisation gut zu vertreten und zu entwickeln. Inzwischen dürfen wir die Funktion des Mentors als eine mögliche neue Führungsrolle sehen. Die Frage nach dem Return-on-Invest beantwortet sich am ehesten mit: Diese Leistung ist eine notwendige Investition in die Gegenwart und Zukunft der Organisation und in ihre Attraktivität und Wirksamkeit als Arbeitgeber in einem hart umkämpften Markt.

Wenn junge Mitarbeiter sich für den Berufseinstieg in eine Organisation entscheiden, die ihnen neben vielerlei materieller und Entwicklungs-Incentives die persönliche Betreuung durch einen darauf eingestellten und vorbereiteten Senior bietet, spricht das für ein neues Führungsverständnis und eine neue Erwartungshaltung.
In beidem zeigt sich durch die immer häufiger auftauchenden Anfragen nach Mentoring-Programmen und aufgrund der positiven Resonanz unter den Mentees, dass diese Form der Auseinandersetzung neue Bindungs- und Integrationswege eröffnet.

Wir sind mitten in einem kreativen Veränderungsschritt zu diesem spannenden Format.
Dabei sind seine Möglichkeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft und die unternehmensseitigen wie auch persönlichen Aufwände sind überschaubar und leicht zu leisten.