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Frauen in Führung

Ein Modethema oder notwendige mentale Kehrtwende für nachhaltig erfolgreiche Unternehmensführung?

15.04.2013Carmen Barmbichler

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Anforderung an Führung im Wandel der Industrialisierung

David Rock zeigt in seinem Buch „Quiet Leadership“ (2006) auf, wie sich die Anforderungen an Mitarbeiter und Führung in den letzten hundert Jahren verändert haben. Zu Beginn der Industrialisierung wurden Mitarbeiter in erster Linie für ihre physische Arbeitskraft bezahlt. Das hatte auch Auswirkungen auf das Weiterbildungs- und Führungsverhalten. Die Hauptaufgabe der Führungskräfte lag darin physische Abläufe zu optimieren, um so aus der Arbeitskraft des Einzelnen das Maximum an Leistung zu generieren. Im Laufe der 20 er Jahre nahm die Technisierung in der Industrie zunehmende ihren Einzug. Mit fortschreitender Industrialisierung rückte so das Thema Prozessoptimierung in den Vordergrund. Nun waren in erster Linie Mitarbeiter und Manager mit einem starken Fokus auf prozessuale Sichtweisen und Strukturierungsfähigkeiten gefordert. Heutzutage sind fast alle Prozesse an ihre Optimierungslimits gestoßen, wodurch zunehmend eine andere Führungskomponente wichtig wird. Führungskräfte in Matrixorganisationen müssen mehr denn je in der Lage sein Mitarbeiter partizipativ in Handlungsabläufe einzubinden um so die gesamte intellektuelle Ressource optimal nutzen und einen Wettbewerbsvorteil generieren zu können. Der Ruf nach einem transformationalen Führungsstil wird zunehmend lauter. Leider sind die heutigen Manager häufig noch zu stark in der Prozessdenke und –Führung verhaftet.

Gibt es einen Unterschied in der weiblichen und männlichen Führung?

Studien belegen, dass es nicht „den“ weiblichen oder „den“ männlichen Führungsstil gibt. Es konnte aber nachgewiesen werden, dass Frauen im täglichen Führungsverhalten tendenziell mehr Fokus auf Unterstützung und Ermutigung legen. Dies sind zwei zentrale Aspekte des transformationalen Führungsstils, der Mitarbeiter dazu ermutigt Höchstleistung zu zeigen. Durch diesen auf Vertrauen und Respekt basierenden Führungsstil werden Mitarbeiter angeregt Probleme kreativ zu lösen und sich ständig weiter zu entwickeln. Dies liefert die Basis zur optimalen Ausschöpfung des intellektuellen und kreativen Potentials der Mitarbeiter.

Studien zeigen ebenfalls auf, dass Führung in männlich dominerten Gefügen auch männlich bewertet wird. Dies liefert die Basis für strukturelle Diskriminierung und geschlechtsspezifische Stereotypisierung. Beides Aspekte, die kontraproduktiv auf einen sich selbst regulierenden steigenden Frauenanteil in Führungsetagen wirken.

Auswirkungen der Erhöhung des Frauenanteils auf Top Führungsebene

Der Aspekt, dass Frauen eher den transformationalen Führungsstil praktizieren könnte mit ein Grund sein, weshalb sich ein höherer Frauenanteil in den Führungsetagen von Unternehmen nachweislich positiv auf die Geschäftsergebnisse auswirkt. (Quelle z.B.: McKinsey Studie Women matter 2010)

Die folgende Grafik zeigt auf, dass Firmen mit drei oder mehr Frauen in Top Management Funktionen auf allen Organisations-Dimensionen bessere Ergebnisse erzielen als Firmen ohne Frauen in den Top Führungsebenen.

Die folgende Grafik zeigt auf, dass Firmen mit drei oder mehr Frauen in Top Management Funktionen auf allen Organisations-Dimensionen bessere Ergebnisse erzielen als Firmen ohne Frauen in den Top Führungsebenen.
Grafik 1: Quelle McKinsey „Women Matter 2010“

 


Die McKinsey Studie zeigte ebenfalls, dass Firmen mit einem höheren Frauenanteil auf den Top Führungsebenen eine bessere finanzielle Performance zeigen.

Grafik
Grafik 2: Quelle McKinsey „Women Matter 2010“

 

Status Quo des prozentualen Frauenanteils in europäischen Unternehmen

Die Grafik 3 zeigt, dass Europa insgesamt immer noch ein sehr ernüchterndes Bild zum Thema Frauenanteil in den Top 200 Unternehmen Europas aufzeigt.

Prozentsatz von Frauen in Führungspositionen Europas Top 200 Unternehmen
Graphik 3: Quelle Datenbank der EU-Kommission Frauen und
Männer in Entscheidungsprozessen. Prozentsatz von Frauen in
Führungspositionen Europas Top 200 Unternehmen, 2011

 

Wie kann es sein, dass

Neben der insgesamt deutlichen Unterrepräsentanz von Frauen, zeigt die Graphik 3 auch, dass die Mehrheit der skandinavischen Länder deutlich vor den anderen europäischen Ländern liegt. Das kann Ausdruck der besseren Familienpolitik sein. Auffällig ist jedoch, dass Norwegen aus der Riege der skandinavischen Länder nochmals deutlich positiv herausfällt. Wie kann man diesen Unterschied begründen? Eine Erklärung könnte sein, dass Norwegen das erste europäische Land war, das 2003 eine gesetzliche Geschlechterquote eingeführt hat. Es wurde eine Quote von 40 % Frauen- bzw. Männeranteil festgelegt. Diese wurde nach einer zweijährigen Übergangsfrist bei Nichteinhaltung mit monetären Verwaltungsstrafen belegt, die bei Widersetzung bis zur Zwangsliquidierung hätten führen können.
Studien zeigen auch, dass freiwillige Verpflichtungen, ohne Konsequenzen bei Nichteinhaltung, scheinbar keine Auswirkungen auf die Erhöhung des Frauenanteils haben. Das signalisiert, dass ein politischer Hebel nur mit einer deutlichen Konsequenz Wirkung zeigen kann. Es stellt sich nun die Frage, ob Unternehmen es sich mittelfristig wirtschaftlich wirklich leisten können auf einen verbindlichen Einfluss seitens der Politik zu warten?

Wie können Unternehmen, die sich unabhängig von politischen Vorgaben dem Thema Frauenförderung stellen wollen eine Optimierung vorantreiben um die Eingangs aufgezeigten Vorteile nutzen zu können?

Ansätze zur Optimierung des Frauenanteils

Viele Firmen fokussieren in ihren Bemühungen zur Optimierung des Frauenanteils auf das Thema Rekrutierung. Dies ist ein wichtiger erster Schritt, Studien zeigen allerdings auch, dass der nachhaltige Einfluss auf eine Steigerung des Frauenanteils auf den höheren Führungsebenen kaum nachweisbar zu sein scheint.

McKinsey „Women Matter 2010“
Grafik 4: Quelle McKinsey „Women Matter 2010“

 

Effektive Hebel zu einer Steigerung des Frauenanteils in Unternehmen?

Untersuchungen zeigen auf, dass es drei Ansatzpunkte gibt, den Frauenanteil in Unternehmen zu beeinflussen.

Grafik: Wollen-Dürfen-Können

 

Können

Für eine konsequente Frauenförderung bedarf es einer frühzeitigen Identifikation von Potentialen und die gezielte Entwicklung von Frauen auf Basis einer gleichberechtigten Nachfolgeplanung. Das soll nicht bedeuten, dass dies nicht auch für männliche Mitarbeiter notwendig ist. Fakt ist aber, dass in den meisten europäischen Ländern das Thema Familienplanung und die damit einhergehende Betreuung immer noch mehrheitlich ein Frauenthema ist. Das führt häufig dazu, dass Frauen, die frühzeitig keine klaren Aussichten über ihre Karrierechancen skizziert bekommen zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben in der Familiengründung einen Ausweg aus der scheinbaren beruflichen Perspektivlosigkeit sehen. Unternehmen könnten davon profitieren für alle Nachwuchsführungskräfte frühzeitig Karriereplanungsworkshops oder Developmentcenter einzusetzen, die ein objektives Screening der Fähigkeiten und der Potentiale ermöglichen auf deren Basis zielführende Entwicklung und transparente Karriereplanung etabliert werden können.

Wollen

Hier spielt das, in den Frauen selbst verankerte Bild zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zentrale Rolle. Zum einen möchte nicht jede Frau Karriere machen, zum anderen liegt unterschwellig die Verantwortung für die Organisation der Familie häufig immer noch auf Seite der Frauen.

Es wäre wichtig zu identifizieren was das Wollen beeinträchtigt. Reale Handicaps oder eher angenommene Rollenerwartungen und erwartete Problemstellungen? Wichtig ist auch zu klären, in wieweit Firmen in der Lage und willens sind für Frauen Rahmenbedingungen zu bieten, die das „Wollen“ positiv unterstützen. (Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle, etc..) Der bereits erwähnte demographische Wandel legt nahe, in Zukunft mehr Optionen für eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Frauen in Teilzeit fast keine nachweisbaren Leistungsunterschiede gegenüber ihren männlichen Kollegen aufzeigen. Sie unterscheiden sich allerdings darin, dass sie kaum Zeit investieren ihr eigenes Netzwerk zu pflegen. Darf das Fehlen der persönlichen Netzwerke in der formal leistungsorientierten Wirtschaftsorganisation wirklich so einen Einfluss nehmen? Wenn nicht die Anwesenheit von Leistung sondern die Abwesenheit von persönlichen Netzwerken den Karriereunterschied kreiert kann mit der Bejahung zur Performance Organisation etwas nicht in Ordnung sein.

Abhilfe könnte durch die formale Etablierung von speziellen Mentoring-Programmen für Frauen und die Ermunterung zur Etablierung eines persönlichen Netzwerks geschaffen werden.

Dürfen

Dieses Gebiet ist das wohl diffizilste und aber auch entscheidendste Element zum Thema effiziente und konsequente Frauenförderung in Unternehmen. Alice Eagly und Linda Carli (2007) haben in ihren Untersuchungen aufgezeigt, dass Frauen in Unternehmen nicht erst an der „gläsernen Decke“ zur Topmanagement Ebene scheitern. Vielmehr ist die weibliche Karriere durch viele Stolpersteine auf dem Weg nach oben charakterisiert. Es macht den Anschein, als ob eingeschliffene männliche Rituale und geschlechtsspezifische Stereotype einen stärkeren Einfluss auf den Karriereverlauf ausüben als die eigentliche Leistung. Unternehmen, die ernsthaft das Thema Frauenförderung voran treiben wollen, müssen in einem ersten Schritt kritisch hinterfragen an welchen Stellen das Unternehmen selbst welche Blockaden im Hinblick auf eine gleichberechtigte Frauenförderung verankert hat. Wie sieht die Diversity DNA des Unternehmens aus? Untersuchungen zeigen, dass sich mit einer konsequenten Forcierung der Gleichstellung von Frauen und Männern auch die Anforderungen an das ideale Führungsbild ändern. In Deutschland herrscht häufig noch das Bild der durchsetzungsstarken, souveränen Führungskraft mit einem hohen Maß an Entschlusskraft vor. Während in Schweden die ideale Führungskraft eher als teamorientiert, motivierend auf Intuition bauend und nach Konsens strebend beschrieben wird. Abgesehen davon, dass das schwedische Idealbild eher in Richtung des Eingangs beschriebenen transformationalen Führungsstils ausgerichtet ist, machen beide Führungsbilder im direkten Vergleich deutlich, dass Deutschland eher männlich besetzte Eigenschaften und Schweden eher weiblich besetzte Eigenschaften auslobt. Wenn man den Gedanken weiterverfolgt wird klar, dass diese Idealbilder natürlich auch einen massiven Einfluss auf die Personalauswahl und Entwicklung haben.

Um also eine gleichberechtigte Karriere für Frauen und Männer zu ermöglichen müssen sich Unternehmen in einem ersten Schritt einer kritischen Analyse unterziehen in der aufgezeigt werden muss, welche männlichen Rituale und strukturellen Stereotypisierungen im Unternehmen gängige Praxis sind und Gefahr laufen alle gut gemeinten Bestrebungen zur gleichberechtigten Förderung zu unterlaufen.

Fazit

Da Frauen in den oberen Führungsebenen nachweisbar einen positiven Einfluss auf die Unternehmensleistung haben und politische Grundsatzentscheidungen mit nachweisbaren Auswirkungen nur sehr langsam greifende Mechanismen darstellen, sollten Unternehmen sich unabhängig von formalen Sanktionen eine eigene Definition von gleichberechtigter Frauenförderung erarbeiten.

Dazu bedarf es einer starken Unternehmensleitung die nicht nur an den Formalien der Frauenförderung arbeitet. Vielmehr muss mit dem vollen Commitment auf der Top Management Ebene ein neues zukunftsweisendes Führungsbild etabliert werden, in dessen Folge konsequent alte Blockaden und Stereotype identifiziert und eliminiert werden. Ein Unternehmen, das alle drei Ansatzpunkte zur Frauenförderung fokussiert (Dürfen, Wollen und Können) hat beste Aussichten die Ressourcen im Unternehmen optimal zu nutzen und das Unternehmen für die zukünftigen Anforderungen wettbewerbsfähig zu machen.